Gedenkstätte

Entwurf

Geladener Wettbewerb für einen Gedenkort für alle Betroffenen des 1. und 2. Weltkrieges und für ein Mahnmal für den Frieden im Stadtpark Traunstein

Jahr: 2017
Format: diverse
Technik: diverse

Gedenkstätte | Traunstein | 2017 | Helmut Mühlbacher
Gedenkstätte | Traunstein | 2017 | Helmut Mühlbacher
Gedenkstätte | Traunstein | 2017 | Helmut Mühlbacher
Gedenkstätte | Traunstein | 2017 | Helmut Mühlbacher

Verwerfung

Eine Verwerfung (auch Bruch, Sprung, Verschiebung oder Störung im engeren Sinne) ist eine tektonische Zerreiß- oder Bruchstelle im Gestein, die über Distanzen vom Zentimeterbereich bis zu einigen Dutzend bis hundert Kilometern zwei Gesteinsbereiche oder Krustenteile gegeneinander versetzt. Diese Gesteinsbereiche werden Bruchflügel, Blöcke oder Schollen genannt. Den Versatz bezeichnet man als Sprunghöhe bzw. Sprungweite. Während der Überbegriff Störung im weiteren Sinn auch verschiedene Arten plastischer Verformung mit einschließen kann, wird als Verwerfung nur das Resultat einer bruchhaften Verformung bezeichnet. Die entsprechende Tektonik wird als Bruchtektonik bezeichnet. Verwerfungen sind daher stets im obersten Teil der Erdkruste entstanden. Die Schnittlinie einer Verwerfung mit der Geländeoberfläche bzw. der Oberfläche des anstehenden Gesteins wird als Störungslinie, Bruchlinie oder Verwerfungslinie bezeichnet.

Gedenkstätte | Traunstein | 2017 | Helmut Mühlbacher
Gedenkstätte | Traunstein | 2017 | Helmut Mühlbacher
Gedenkstätte | Traunstein | 2017 | Helmut Mühlbacher

BEWEGUNG

Ein Gedenkort für alle Betroffenen des 1. und 2. Weltkrieges und Mahnmal für den Frieden.
Minimalistische Bodenskulptur im nördlichen Teil des Stadtparks Traunstein.

Ausgangssituation

Da der nördliche Teil des Stadtparks bereits mit der Kirche im Zentrum und einigen verstreuten Denkmalen bestückt ist, möchte ich dem Park keine weitere „drop sculpture“ mit vertikaler Ausrichtung hinzufügen. Viel mehr möchte ich eine Arbeit schaffen, die eine intensive und enge Verbindung zwischen der räumlichen Struktur im Park und der Aufgabenstellung herstellt.

Sowohl der Verweis auf den Stadtfriedhof als auch die gedankliche Einbeziehung der vorhandenen Denkmale soll spürbar werden. Der Ort soll nicht nur sachliche Information bieten, sondern in der Lage sein, bei möglichst vielen Passantinnen und Passanten unterschiedliche Gefühle und Fragestellungen auszulösen. Durch die Zuschreibung dieser Qualität soll sowohl für den Park, als auch für das ganze Innenstadtgefüge, ein eigenständiger Ort der Reflektion entstehen.

Ort     

In der süd-westlichen Rasenfläche des nördlichen Stadtparks möchte ich eine großzügige Bodenskulptur schaffen, die ihre volle Wirkung auf die stark frequentierten Durchgangswege, vor und unter den Arkaden, entfaltet. Von allen Seiten soll die Skulptur frei und gleichwertig zugänglich sein (vgl. Lageplan M 1:200).
Die Arkaden werden in die Gestaltung eines Gesamtensembles, für die Präsentation der vorhandenen Bronze-Bücher und einer Infotafel, einbezogen (vgl. Lageplan M 1:200).
Für Gedenkfeiern ist der gekieste Platz vor der Kirche weiterhin bestens geeignet und die Skulptur von dort aus gut wahrnehmbar und zugänglich.

Skulptur

Die sehr minimalistisch konzipierte und subtil wirkende Bodenskulptur besteht aus nur zwei Materialien – dem vorhandenen Boden mit Rasen und vorgerosteten Metalleinfassungen aus CORTEN-Stahl.

Vier unterschiedlich große und trapezförmig geformte Flächen liegen leicht gekippt in der vorhandenen Rasenfläche. Die Ecken stehen bis zu ca. 20 cm über das vorhandene Bodenniveau heraus, oder tauchen bis zu ca. 20 cm in den Boden ein. Die Einfassung und Stützung der aufragenden und in den Boden eingetauchten „Schollen“ wird durch ca. 8mm starke Schwarzstahl Bänder gewährleistet, die Ecken sind verschweißt und verschliffen.

Der Stahl symbolisiert ein Material, das für Rohstoff, Ressource und Härte steht, aber durch zunehmende Rostentwicklung auch auf die Vergänglichkeit und Endlichkeit hinweist.

Die sehr präzis geformten schiefen Ebenen, mit unterschiedlichen Neigungen, stehen zueinander in Beziehung und verdichten sich in ihrer Gesamtwirkung zu einer raumgreifenden, spannungsreichen und labil wirkenden Skulptur, die von allen Blickwinkeln aus ein anderes Erscheinungsbild bietet (vgl. Modell M 1:50), vor allem auch zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten. Ein Beleuchtungskonzept könnte diesen Effekt zusätzlich besonders gut für die dunklen Zeiten bzw. Nachtstunden herausarbeiten und wahrnehmbar machen.

Die Anlage der Bodenskulptur soll sich möglichst an der vorhandenen Topographie der Rasenfläche orientieren, um den Eingriff in den Boden gering zu halten.

Die Fläche zwischen den Schollen bleibt als geschlossene Ebene auf Bestandsniveau vorhanden und kann als Kreuz gelesen und begangen werden, diese Ebene bietet Halt gegenüber den geneigten Schollen und kann als festes und unzerstörbares Symbol des Christentum gedeutet werden. Bei genauerer Betrachtung wird man jedoch feststellen, dass es sich keineswegs um eine reine, makellose und unversehrte Kreuzform handelt, die Interpretation bleibt offen.

Die Bodenarbeit ist bewusst als interaktive Skulptur konzipiert und soll im wahrsten Sinne des Wortes begeh- und begreifbar sein, erfühlt und mit allen Sinnen wahrgenommen werden. Erst dadurch wird sie ihre volle Wirkung entfalten und einen bleibenden Eindruck hinterlassen, auch bei wiederholten Besuchen. Form und Materialität sind zeitlos gehalten.

Ergänzt wird die Bodenskulptur mit einer Tafel unter den Arkaden, die sachliche Information zum Anlass der Arbeit, zur Skulptur mit Grundriss und zur Person des Künstlers bietet.

Eine Verknüpfung mit digitalen Medien wäre wünschenswert, z.B. über QR-Code etc.

Das Trägermaterial der Infotafel könnte, um die Zusammengehörigkeit mit der Skulptur zu zeigen, ebenfalls CORTEN-Stahl sein.

Daneben werden im nächsten Arkadenbogen die vorhandenen Bücher, welche an die zu Tode gekommenen oder vermissten Soldaten des ersten und zweiten Weltkrieges erinnern, auf einer neuen Trägerplatte an der Wand befestigt, auf der letzten Seite soll die Namensauflistung um die Zeile „ … und allen Betroffenen“ ergänzt werden. (vgl. Bildcollage).

Weitere Bänke unter den Arkaden und um die Rasenfläche können zur Entwicklung eines Ortes der Reflektion beitragen.

Konzept / Kontext

Aufbauend auf die Ausgangssituation und die Festlegung des Ortes möchte ich einen Gedenkort schaffen, der spezifisch auf die Gegebenheiten des Parks, bzw. des ehemaligen Friedhofs mit den Arkaden eingeht. Das Zusammenwirken der Bodenskulptur in der Rasenfläche, sowie der sachlichen Information zur Skulptur und der vorhandenen Bronze Bücher, soll zu einem inhaltlichen Dialog und zu einer sehr dichten Atmosphäre des Gedenkens und Denkens führen. Durch das additiv aufgebaute Ensemble wird sich ein Spannungsbogen aufbauen, der eine erhöhte allgemeine öffentliche Wahrnehmung zur Folge hat und zu einer Stimmung führt, die den Wandel vom reinen Gedenkort zum Denkort ermöglicht.

Es soll ein Ort sein, der nicht nur an die zu Tode gekommenen Soldaten des 1. und 2. Welt-krieges erinnert, sondern auch ein Gedenken an die Betroffenheit der Angehörigen und der Zivilen Opfer ermöglicht, sowie das Leiden der Hinterbliebenen und Folgegenerationen der Weltkriege und kriegerischer Auseinandersetzungen einbezieht.

Die Skulptur fordert und mahnt im direkten Sinne eine Gesellschaft an, die sich aus den Erkenntnissen der Historie, vor allem der Gegenwart und Zukunft bewusst wird und daraus die Aufgabe und Motivation ableitet, für Stabilität und Gleichgewicht zu sorgen, um weitere große gesellschaftliche Brüche und Verwerfungen zu vermeiden.

Die Gedanken müssen in BEWEGUNG bleiben und ein Leben für Gerechtigkeit, Stabilität, Versöhnung und Frieden zum Ziel haben.

Begriffe wie Verwundbarkeit, Erschütterung, Labilität, Verschiebung, Störung, Bruch oder Verwerfung spielen dabei eine besondere Rolle, denn NICHTS ist so fest und stabil, wie wir es glauben oder wie wir es gerne hätten. Genannt sei in diesem Zusammenhang z.B. der härter werdende Wettlauf um Ressourcen, Wasser oder Bodenschätze, der zunehmend für bewaffnete Auseinandersetzungen sorgen wird. Vom Klimawandel und bereits Millionen von Klimaflüchtlingen ganz zu Schweigen. So waren und sind es immer wieder territoriale Ansprüche, die sowohl in der Vergangenheit, in der Gegenwart als auch in Zukunft, zu Kriegen und damit zu erheblichen Verwerfungen geführt haben und führen werden. Der Boden ist deshalb zentraler Ausgangspunkt und zentrales Material des Entwurfs.

Gerade die heranwachsende Generation soll sich durch das Ensemble und die Möglichkeit der haptischen Erfahrung angesprochen fühlen, viele Schülerinnen und Schüler passieren wie viele andere Passantinnen und Passanten täglich den Weg in und entlang der Arkaden.

Durch die Beziehung der Skulptur, der Information und der Bücher wird immer ein imaginäres Tor zu durchschreiten sein, das ständig bewegen und berühren soll.

Das bisher vorhandene Kreuz, die Schriftzüge und weitere Gegenstände der alten Gedenkstätte sollten geschichtlich aufbereitet im Heimatmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Gedenkstätte | Traunstein | 2017 | Helmut Mühlbacher
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Helmut Mühlbacher
Triftweg 14a
83278 Traunstein
Tel.: 0173 / 805 99 51
helmutmuehlbacher@gmx.de